Neulich habe ich eine Blogparade entdeckt, die schon eine Weile zurückliegt. Dagmar Recklies lud dazu ein, die Frage zu beantworten: „Wie ist es, mit mir zu arbeiten?“
Mich sprach die Frage sehr an.
Wobei – das Schreiben über mich selbst auf diese Art und Weise fällt mir schwer.
Deshalb: Schnell den Spieß umgedreht und damit die Frage.
Ich mache daraus: „Wie ist es, mit dir zu arbeiten?“ und lade zu einem imaginären Interview ein.
Ich stelle mir vor, dass mir eine Freundin gegenübersitzt.
Sie guckt mich neugierig und aufgeschlossen an, und sie möchte gerne einmal genauer herausfinden, was ich eigentlich so mache.
Ja, die Vorstellung gefällt mir –
let’s go!

Inhaltsverzeichnis
"Bitte stell dich nochmal vor und erzähl, was du machst."
„Ich bin Annabell, von Hause aus Kulturpädagogin und 53 Jahre alt. Ich bin über viele Stationen zu meinem jetzigen Betätigungsfeld gekommen: Ich begleite Frauen in den Wechseljahren dabei, das Potenzial dieser verrückt-besonderen Lebensphase zu bergen und sich einmal bewusst den Gefühlen, Fragen und Themen zu widmen, die jetzt oft an die Oberfläche kommen.
Es ist ja eine Zeit, in der frau realisiert, dass ihr Leben endlich ist. Sie stellt an ihrem 40. oder 50. Geburtstag fest, ups, es muss ja gar nicht sein, dass ich nochmal doppelt so lang lebe!
Oft beginnt sie dadurch, Bilanz zu ziehen und sich zu fragen, was war und was noch kommen kann. Und das kann bedeuten, dass sie sich konfrontiert sieht mit Reue, verpassten Chancen oder auch Mustern, in denen sie seit Langem festhängt. Das kann ziemlich hart sein, besonders, wenn ihre Hormone ‚tanzen‘ und diese ihre gesamte Gefühls- und Erlebniswelt auf den Kopf stellen.
An dieser Stelle hole ich die Frauen ab und begleite sie durch das schamanische Medizinrad. Es ist ein Übergangsritual, das, wie ich finde, wie geschaffen ist für die Wechseljahre. Denn es lehrt uns auf eine ganz praktische und zugleich bezaubernde Art, einen tiefen Wandel zu vollziehen. Das hinter uns zu lassen, was uns nicht mehr dienlich ist, und in das hineinzuwachsen, was wir uns für unser Leben wünschen und vor allem wie wir sein wollen. Es ist vergleichbar mit einer großen Panchakarmakur im Ayurvedischen, nur eben für die Seele. Ich nenne es auch gerne ‚Seelenreinigung vom Feinsten‘.
„Wie genau sieht so eine Reise durch das Medizinrad denn aus - und wie begleitest du die Frauen dabei?“
„Im Medizinrad reisen die Frauen symbolisch durch die Himmelsrichtungen und entdecken dort vier Archetypen – die Schlange, den Jaguar, den Kolibri und den Kondor. Jeder von ihnen besitzt seine spezielle Weisheit und Medizin.
Am Anfang geht es erst einmal darum, die Phase, in der frau sich befindet, anzuerkennen und die Themen in den Fokus zu nehmen, die sie hinter sich lassen möchte. So wie die Schlange eben, die sich häutet und in ihre neue Haut hineinwächst.
Wir richten uns, wenn wir uns verändern möchten, ja oft gleich nach Vorne aus, in die Zukunft. Aber es ist genauso wichtig, erst einmal zu schauen, was es zu verabschieden und zu beenden gilt. Im Medizinrad hat das Abschiednehmen und Loslassen seinen gebührenden Platz – und durch diesen Prozess kann das Neue entstehen.
Dem Neuen widmet sich die Reisende dann im Norden und im Osten. Es geht um ihre Essenz, die sie immer mehr leben möchte, und um ihre Vision für ihre zweite Lebenshälfte.

Ich begleite die Frauen auf dieser Reise, indem ich ihnen Wissen, Übungen und Rituale an die Hand gebe. Der schamanische Weg ist ein ganz praktischer – er lebt nicht von der Theorie, sondern von der unmittelbaren Erfahrung. Deshalb kann auch jede Frau durch das Medizinrad reisen – egal, ob sie schamanisches Vorwissen hat oder nicht.“
„Wie genau siehst du deine Rolle als schamanische Wechseljahresbegleiterin?“
„Ich sehe mich zu allererst als Raumgeberin. Ich eröffne mit meinem Angebot Frauen den Raum, sich einmal intensiv mit ihren Wechseljahren und den damit verbundenen Themen und Gefühlen zu beschäftigen. Denn das ist ja überhaupt die Kunst in unserem oft vollen Leben – sich dem Trubel des Alltags zu entziehen und sich der eigenen Entwicklung und auch Heilung zu widmen. Gerade Frauen in dieser Lebensphase haben oft sehr viel um die Ohren – und gleichzeitig wächst ihre Sehnsucht nach Stille und Besinnung und danach, mit ihrem ureigenen Kern in Berührung zu kommen.
Aber ich öffne nicht nur den Raum, sondern ich halte ihn auch, während die Frau durch das Medizinrad reist. Das meine ich nicht nur praktisch, in den regelmässigen Treffen. Es ist auch ein energetischer Raum, den ich für sie halte – ein bisschen so, als würde ich aus der Ferne einen Regenschirm für sie aufspannen, unter den sie sich stellen kann.

Neben dieser Rolle als Raumgeberin sehe ich mich auch als Impulsgeberin. Es fasziniert mich selber, durch welche Impulse ich in meiner Entwicklung angeregt und ermutigt wurde und werde.
Oft sind es ja unerwartete Impulse, die sich auf einem Weg ergeben – ein bestimmter Satz, der in einem nachklingt, ein Ritual, gegen das man zuerst Widerstände hatte und das sich dann als das Wirksamste überhaupt herausstellt… und so sehe ich auch das Medizinrad als einen riesigen Fundus an Impulsen, da es so viele verschiedene Perspektiven bedient und ganz verschiedene Ebenen unseres Seins anspricht. Alleine die Archetypen, die Schlange, der Jaguar, der Kolibri und der Kondor, transportieren so viele Weisheiten, die etwas in einem zum Klingen bringen können.
Ich nenne mich aber auch Impulsgeberin, weil es mir wichtig ist, dass der aktive Part auf der Seite der Frau liegt, die durch das Medizinrad reist. Es gibt die Tendenz, sich sehr stark auf die Person, die etwas anbietet, zu fokussieren. Und somit auch große und manchmal überhöhte Erwartungen an sie zu stellen.
Ich kann mein Wissen, meine Erfahrung und meine Gaben teilen – aber all das ist ’nur‘ der Weg, das ich bereite – darauf gehen muss jede Frau selber.
Ich sehe es auch gerne als Samen, die ich weitergebe – das Einpflanzen, Wässern und Pflegen dieser Samen liegt in der Verantwortung der Teilnehmerinnen. Das ist für mich im besten Sinne ‚Empowerment‘. Fordernd, weil dieser Weg immer wieder dazu auffordert, aktiv zu werden – aber auch total schön und stärkend, weil Jede erfährt, wie sie ihren Weg selber gestalten kann.
Und das ist für mich auch eine der tollen Botschaften des Medizinrads – es gibt uns Frauen die Möglichkeit, unsere Wechseljahre als Umbruch wahrzunehmen, den wir selber gestalten können – und den wir nicht einfach über uns ergehen lassen müssen – so nach dem Motto ‚Augen zu und durch!‘.“
„Nennst du dich eigentlich selber Schamanin?“
„Das ist eine gute Frage! Ich habe sie mir in den letzten Jahren wirklich sehr oft selber gestellt. Und für Hier und Heute nenne ich mich nicht so, sondern sage, wenn ich gefragte werde: ‚Ich bin auf dem schamanischen Weg‘.
Einmal möchte ich damit den Schamaninnen und Schamanen Respekt zollen, die diesen Weg ihr Leben lang gegangen sind und durch sehr viel mehr Prüfungen und Lehrzeiten gegangen sind als ich.
Und dann ist ‚Schamanin‘ ein Titel, den frau sich eigentlich nicht selber gibt, sondern der ihr von ihren Lehrer*innen verliehen wird.
Marcela Lobos und Alberto Villoldo, nach denen ich in meiner ersten Ausbildung lernte, nutzen oft den Begriff der ‚inneren Schamanin‘. Damit kann ich mich schon eher identifizieren. Wir alle haben eine Art verschüttetes Ur-Wissen über die Grundprinzipien des Lebens in uns, das ’nur‘ wieder erweckt werden muss… Aber das wäre in einem Titel oder Satz schwer zu kommunizieren…
Mein Lehrer Illaripa nannte uns am Ende unserer zweijährigen gemeinsamen Wanderung „Nustas“. Das finde ich wunderschön und ich habe mich sehr darüber gefreut. Aber auch das finde ich als Bezeichnung recht erklärungsbedürftig.
Ich sage ‚Ich bin auf dem schamanischen Weg‘ aber auch, um zu zeigen, dass sich mein Tun in der Praxis zeigt. Es ist eben kein Abschluss, den ich einmal gemacht habe und den ich dauerhaft mit einem Zeugnis an der Wand nachweisen kann. Ich erhalte und mehre die Kraft, indem ich das anwende, was ich gelernt habe, und auch immer weiter lerne. So begreife ich mich als Schülerin und Lehrerin zugleich. Wie ein Mühlrad, das fortlaufend frisches Wasser aufnimmt und bewegt, um es wieder in den Bach zu geben.

Ich habe auch immer wieder darüber nachgedacht, das ‚Schamanische‘ ganz aus meiner Kommunikation zu streichen. Manchmal habe ich Angst, dass ich Menschen damit abschrecke. Das scheint übrigens eine Angst zu sein, die ich mit vielen Menschen, die etwas in diesem Bereich anbieten, zu teilen scheine. Mir fällt auf, wie oft es da heißt: ‚Ich mache dies und das, aber ganz ohne Chakren-Gedöns und Hokuspokus’… Am letzten Wochenende habe ich selbst zu einer Frau gesagt, die mich nach meinem Angebot fragte: ‚Ich bin schamanische Wechseljahresbegleiterin, aber ganz ohne Federn im Haar.‘ Das scheint eine tiefe Angst zu sein, nicht dazuzugehören und als ‚verrückt‘ oder ‚esoterisch‘ abgestempelt zu werden.
Aber ich habe mich letztendlich doch dafür entschieden, um eben genau von den Frauen gefunden zu werden, die nach dem Schamanischen suchen. Es ist eben immer noch der Begriff, der einen Ort bezeichnet, an dem wir Menschen Antworten auf Fragen finden, die uns im Tiefsten umtreiben. Auch ich war eine Frau, die vor einigen Jahren dringend Antworten und Lösungen für ihr Leben suchte und die das Wort ‚Schamanismus‘ in die Suchleiste bei Google eingab. Es war der Anfang einer wunderbaren Reise, die ich um nichts in diesem Leben missen möchte, und die ich nun anderen Frauen mit meinen Mitteln möglich machen möchte.
"Gibt es etwas, was frau nicht bei dir findet?"
„Ein Heilsversprechen! Das fällt mir zuallererst ein. Nicht nur, weil ich es nicht geben darf, sondern auch, weil ich es nicht geben kann. Das Medizinrad ist ein sehr kraftvolles Übergangsritual, das sehr Vieles lösen kann – aber ich kann nicht garantieren, dass sich alle Blockaden und Probleme auf dieser sechsmonatigen Reise auflösen. Auf unserem ureigenen Weg spielen so viele Dinge eine Rolle, die diese Reise beeinflussen können… und unsere Probleme und Blockaden können auch sehr unterschiedlich tief in uns verwurzelt sein.
Ich spreche mittlerweile deshalb auch seltener von ‚Heilung‘ als von ‚Persönlichkeitsentwicklung‘. Das Medizinrad ist passend für die Menschen, die sich aus ihren alten Mustern und Bloackaden herausentwickeln möchten – und in dieser Entwicklung steckt ein sehr großes Heilungspotenzial.

Ansonsten finden Frauen in den Wechseljahren bei mir keine explizite Beratung zu körperlichen Begleiterscheinungen. Suchen sie konkrete Empfehlungen für Methoden und Produkte zur Linderung und Behebung, dann verweise ich sie sehr gerne an kompetente Kolleginnen aus meinem Netzwerk.
Aber gleichzeitig ist das Medizinrad ein Übergangsritual, in dem Seele, Körper und Geist Platz finden. Es kann beispielsweise sein, dass eine Frau mit ihrer Ehe als Thema das Medizinrad betritt und auf ihre Migräne stößt – und ebenso kann es sein, dass sie mit dem Thema ihrer Migräne die Reise antritt, um bei ihrem Ehethema zu landen… die seelische Perspektive lässt sich nicht von der körperlichen Perspektive trennen, so wie sich das Thema ‚Hormone‘ nicht von dem Thema ‚Wechseljahre‘ trennen lässt.
Es ist ein ganzheitlicher Weg und so fliesst auch mein fachliches Wissen als zertifizierte Wechseljahresberaterin in die Gestaltung meiner Angebote und in die Begleitung mit ein. So frage ich mich beispielsweise immer, wie ich mein Angebot möglichst entspannend für die Teilnehmerinnen gestalten kann. Denn Entspannung in dieser fordernden Lebensphase ist ein Riesenthema, und ich fände nichts schlimmer als wenn sich die Teilnehmerinnen durch mein Angebot gestresst fühlen würden.“
"Zu guter Letzt - was sagen Andere über dich und die Zusammenarbeit mit dir?"
„Die Rückmeldung, die ich recht häufig bekomme, ist, dass ich klar bin. Ich kann mich gut in die Lüfte erheben und die Dinge aus einer weiten Perspektive betrachten. Und durch den Kondor, den ich selber im Medizinrad entdecken durfte, bilde ich dies anscheinend immer stärker aus.
Dann werde ich öfter als bodenständig bezeichnet. Das in einem überraschten Ton, so als wenn frau es von einer schamanischen Wechseljahrebegleiterin nicht erwarten würde. Ich gestehe, ‚bodenständig‘ ist nicht mein Lieblingswort, aber ich glaube, es tut dem Ganzen ganz gut. Und es drückt auch aus, was der schamanische Weg lehrt und was ich sehr wichtig finde – es geht um Himmel und Erde, Vision und Bodenhaftung, die Heldinnenreise und das Tun im Hier und Jetzt.“
